Ein jedes Fest besteht aus a) einem Vorabend, b) einem ersten Feiertag, c) den folgenden Feiertagen, deren Zahl vom Alter, Magen und Portemonnaie der Feiernden abhängt, bei einem Maximum von sieben Tagen. Denn wenn der erste Feiertag Sonntags war, kann man wohl am Samstag den siebenten, nicht aber am darauffolgenden Sonntag den achten Feiertag begeben, weil das ein Schönbeitsfehler, eine Geschmacklosigkeit wäre. Kürze des Witzes Würze.
So schön die einzelnen Feiertage unter b und c sein mögen, so ist doch an jedem Fest der Vorabend das Schönste. Wenn wir einmal besser Zeit haben, werden wir das mit psychologischer Gründlichkeit seelendynamisch zu erklären suchen. Stellen wir heute die Tatsache fest, heute in der Atmosphäre des heranzitternden Weihnachtglanzes.
Ein Fabrikant sagte mir dieser Tage: Ich habe die englische Woche bei mir eingeführt. Meine Arbeiter erklären mir immer wieder mit starkem Nachdruck, daß sie das Weekend, den freien Samstag Nachmittag nicht mehr entbehren möchten, es wäre für sie eine Beraubung grausamster Art, schlimmer, als wenn ihnen einer den freien Sonntag stähle. Denken Sie sich eine Mahlzeit mit den erlesensten Hors d'oeuvres und einem Filet jardinière als Hauptplatte: Wer zöge da die Caviorschnittchen nicht dem Ochsenfleisch vor?
Der Vorabend ist der Caviar.
Wir haben das beim Feiern unserer Namensfeste verstanden. Da liegt das Hauptgewicht - ja, das einzige Gewicht auf dem Vorabend. Es ist, als könnten es die Glückwünscher mit ihren Blumen und Geschenken und guten Meinungen die zwölf Stunden bis zum nächsten Morgengrauen nicht mehr aushalten, die Pistolen gehen zum Festschießen ganz von selber los.
Und was sind die Polterabende am Tag vor der Hochzeit andres, als der Ausbruch einer nicht mehr zu bändigenden Lust, ein Abschlag auf den Tag, der den Höhepunkt des Glücks bedeuten soll?
Der Vorabend der Vorabende aber ist der von Weihnachten. Sie nennen ihn Bescherabend. Uns hier, die Weihnachten eigentlich erst durch die Vereinschristbäume kennen lernten, sagt der Bescherabend nichts. Wir verlegen ihn in die Mitternacht und nennen ihn Réveillon. Dort, wo der Weihnachtsbaum in den Familien seit undenklichen Zeiten zuhaus ist, hält man den Vorabend womöglich für heiliger, als den Weihnachtstag selbst. Vom Dunkelwerden ab stehen alle Räder still, die nicht absolut laufen müssen. Und dann entzünden sich hinter den Fenstern der Armen und der Reichen die Weihnachtskerzen und die Kinderherzen schlagen so hoch, daß sie es das ganze Leben lang nicht mehr vergessen werden. Selbst Kummer und Unglück verlieren im Glanz des Weihnachtsvorabends - der der heilige Abend heißt - ihre bittere Schärfe, und wird auch weder Lust noch Freude noch Hoffnung daraus - sie sind doch wie diskrete Gläubiger, die sich ruhig verhalten, bis es wieder Zeit zum Drängen wird.
Also liebe Leser alle, verlebt morgen einen glücklichen Vorabend und darnach so viel Feiertage, wie Ihr vertragen könnt. Und wißt Ihr, daß irgendwo jemand sitzt, der sie Euch nicht gönnt, so freut Euch ihrer doppelt und dreifach.