„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.
Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondern Örtern, daß man das Trockne sehe, und es geschah also ... Und Gott sah, daß es gut war.“ (Mose 1, 1-10.)
Wenn Gott sah, daß es gut war, und noch heute derselben Meinung ist, so muß er diese Tage über bedenklich den Kopf geschüttelt haben. Denn vielerorts konnte man das Trockne nicht mehr sehen. Der liebe Gott muß sich darüber ganz besonders alteriert haben, denn die Elemente, die da über die Schnur gehauen hatten, die hatte er selbst geschaffen und in ihren Betätigungskreis eingespannt. Und nun kamen sie ihm so! Ja, lieber Gott, so geht es einem manchmal, uns hier unten passiert öfters dasselbe. Man muß suchen, darüber hinwegzukommen.
Den alten Kollegen Moses stelle ich mir jedesmal, wenn die Zeitungen Hochwasser melden, lebhaft vor, wie er an seinem Redaktionstisch sitzt und für die alten Israeliten seine Schöpfungsgeschichte schreibt. Er kitzelt sich mit seinem Gänsekiel - ich stelle ihn mir anachronistisch mit einem Gänsekiel vor, weil es malerischer aussieht - also er kitzelt sich mit seinem Gänsekiel Stirn und Ohren und überlegt sich, wie er anfangen soll. Jeder, der mit der Feder arbeitet, kann ihm dies nachfühlen. Es handelt sich für Moses darum, den Schöpfer als einen Mann einzuführen, der das Schwierigste nur so aus dem Handgelenk zuwege bringt. Man muß etwas erdenken, das den stärksten Kontrast zur Pracht und Herrlichkeit der sichtbaren Schöpfung bildet, und aus diesem Muster von schauerlicher Trostlosigkeit muß Gott der Herr mit einem Hauch seines Mundes die schöne Welt mit Sonne, Mond und Sternen, mit blauem Himmel und grünen Fluren und allem Zubehör und den nötigen Ersatzstücken nebst Gebrauchsanweisung hervorgezaubert haben.
Und nachdem Kollege Moses lange mit der Spitze seines Gänsekiels sich Stirn und Ohren bekitzelt hat, findet er, daß es nichts Wüsteres, Trostloseres und Leereres gibt, als das Wasser. Also schreibt er, auf Erden sei am Anfang nichts als Wasser gewesen. Und darüber läßt er dann den Geist Gottes schweben, der nachher das Ganze deichselt.
Wer nahe ans Wasser gebaut hat und jedes Jahr, wenn es mehr als gewöhnlich regnet und schneit, mit seinen sieben Sachen die Treppe hinauf ausrücken muß, der wird finden, daß Kollege Moses recht hatte. Das Wasser als ungebetener Gast ist das Unheimlichste. Die Flamme kommt, so stellen wir uns vor, aus der Höhe, aber das Wasser kommt aus der Tiefe, heimtückisch, mit Grabestemperatur, verräterisch, denn es tut milde, gibt jedem Lufthauch nach, umschmeichelt die Hand, die es berührt, aber es wuchtet brutal über allem, das es bedeckt, und reißt hohnlachend Dämme und Häuser ein und preßt uns widerstandslos den Tod in die Lungen.
Und trotzdem kann es schön sein auch in seiner Furchtbarkeit. Saht Ihr an der Remicher Brücke die Wasserwüste unheimlich gewaltig sich auf Euch zuschieben, wie Macbeth’s Wald, der lebendig wurde? Saht Ihr die apokalyptischen Rosse mit fliegenden gelben Mähnen aus den Brückenbogen zu Tal schießen, wie in wildem Wettrennen? Saht Ihr die Straßen her das ungewohnte Bild der schwebenden Nachen, die lockenden breiten Flächen und graden Linien, die der Wasserspiegel über das holprige Auf und Ab des Pflasters, an dem Zickzack der Häuserfronten her gezogen hatte? Die Hingerissenheit der winzigen Kähne über der strudelnden Tiefe, hörtet Ihr den ruhigen, sieghaften Bariton des neuen Gleitbootes, das sich von unsichtbar rundschnurrender Flügelschraube über das trotzig protestierende Wasser ziehen ließ? Es muß wohl viel lockende Schönheit im Schauspiel des Hochwassers liegen, denn zu Hunderten waren sie am Neujahrstag an die heimgesuchten Stätten geströmt, wie zu vorgestrigen Schlachtfeldern.
Einerlei, im Frühling, Sommer und Herbst ist es doch noch schöner, meinen Sie nicht auch, Herr Klopp?