Wer berühmt werden will, muß sich in Szene zu setzen wissen, muß sich organisieren.
Das gilt auch für Schmetterlinge.
Ein Schmetterling, der von sich reden machen will, muß dafür Zeit und Ort auswählen.
In den Monaten, wo es draußen von Lepidopteren in allen Farben und Nüancen nur so flimmert, wird es keinem Wegfuchs oder Zitronenfalter gelingen, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Da muß er schon warten, bis mit der letzten Blume der letzte seines Geschlechts aus dem Haushalt unserer Natur verschwunden ist. Lieb, was rar ist.
Aber auch dann ist es nicht gleichgültig, wo er in die Erscheinung tritt. Er mag im tiefsten Winter durch die Stille einer Kirche flattern, von der ewigen Lampe zu den gemalten Fenstern und zurück, sein Erdenwallen wird unbemerkt vorübergehen. Denn das Weltgetriebe wirft keinen Wellenschlag in die Stille einer Kirche. Er muß sich einschalten in den lauten Strom der Reklame, der durch die Zeitungen rauscht. Er muß es machen, wie der Schmetterling, von dem hier die Rede geht.
Ein Pfauenauge nämlich, meldet mir das Redaktionstelephon, ist gestern im Lagerraum der Firma Tipsy bestätigt worden. Dieser Schuppenflügler wußte genau, was er tat. Er hängte sich ins Schlepptau eines Namens, den die Reklame durchs ganze Land trägt.
Die freundliche Dame, die mir sein Erscheinen meldete, erbot sich, ihn mir als Saisonereignis in einer Streichholzschachtel per Post zuzuschicken. Ich lehnte ab. Ich lehnte aus allerhand Gründen ab. Wenn ich ein Schmetterling wäre, würde es mich kränken, falls man mit mir nichts Besseres anzufangen wüßte, als mich in eine Streichholzschachtel zu sperren und der Post sechs Sous auf mir zu verdienen zu geben. Abgesehen davon, daß ich unterwegs wahrscheinlich eines unrühmlichen Todes verbleichen würde. Ich bat darum besagte freundliche Dame, den Schmetterling weiter in ihrem Lagerraum herumflattern und sich seines Lebens freuen zu lassen, statt ihn uns auf die Redaktion zu schicken. Hier ist kein Platz für Schmetterlinge, hier waltet der Ernst des Lebens zugleich mit dem Duft von Tabak, der einem Schmetterling nicht zusagt, nachdem er auf Veilchen- und Rosendüfte ein angestammtes Naturrecht hat. Und was kann uns ein Schmetterling helfen, bitte?
Dagegen der Lagerraum der Tipsy-Fabrik, deren Produkte dazu bestimmt sind, dem Leben in allerhand Anwendung größeren Glanz zu verleihen, da gehört ein Schmetterling hin, denn er ist das Symbol des leichten, sonnigen, glanzvollen, des unbeschwerten Daseins. Ich kann es ihm nachfühlen, wie er da von Schachtel zu Schachtel flattert, verführt durch Farbe und Duft, in einer Atmosphäre, die geschwängert ist mit der Ausstrahlung von Produkten, die alle mit bestem französischen Terpentin hergestellt sind. Machen Sie sich bitte klar, daß Terpentin, nach Meyers’ Konversationslexikon, eine balsamartige Masse ist, die durch Einschnitte aus dem Stamm von Nadelhölzern in Europa und in Nordamerika gewonnen wird. Und da soll einem Schmetterling nicht das Herz aufgehen, da soll er nicht von besonnten Fichtenwäldern träumen, die in der Glut der Sommertage die ganze Luft mit würzigen Gerüchen schwängern - da soll er nicht tipsy werden!
Denn Sie wissen, daß tipsy ein englisches Wort ist, das so viel heißt wie leicht beschwipst, angesäuselt.
Wenn also unsere Tipsy-Firma noch keine Fabrikmarke mit Wappentier hat, würde ich zu einem Schmetterling raten, der von Terpentindüften berauscht von Schachtel zu Schachtel taumelt.