Am Montag Abend ging von unserm Korrespondenten aus Esch a. d. Sauer- folgende Eilmeldung ein:
„Zwei Herren Luxemburg Weg Göbelsmühle Heiderscheidter Grund Diamantfelder entdeckt. Rähere Details fehlen zur Stunde.“
Am folgenden Morgen kam eine zweite Meldung:
„Entdeckung Diamantfelder Nähe Bockholtzer Mühle bestätigt. Erregung Bevölkerung groß, fieberhafter Nun mit Säcken und Schaufeln. Ungeheute Mengen Brillanten, Rubin, Smaragd, Saphir, Topas, Abbau äußerst leicht.“ Folgen die Namen der Entdecker.
Sofort nach Empfang dieser sensationellen Nachricht begab sich ein im Interviewen langjährig bewährtes Mitglied unseres Redaktionsstabes auf den Weg zu einem der beiden Herren. Unser Reporter fand ihn bereits angekleidet, im Begriff, einen Morgenspaziergang im Park anzutreten.
Er setzte ihm sofort die Frage auf die Brust!
„Ist es wahr, daß Sie mit einem Freund gestern morgen auf dem Weg von Göbelsmühl nach Heiderscheidtergrund Diamantfelder entdeckt haben?“
„Stimmt!“ sagte der Herr, und in dem Wort zitterte ein Nachliang der Freude, die er bei der Entdeckung begreiflicherweise empfunden haben mußte.
„Wären Sie so freundlich, mir einige Einzelheiten mitzuteilen?“
„Mit Vergnügen.“
Unser Reporter stand mit gespitzten Ohren und gezücktem Bleistift bereit.
„Es mag gegen neun Uhr morgens gewesen sein. Wir waren, mein Freund und ich, mit dem Morgenzug bis Göbelsmühl gefahren, um von dort zu Fuß bis Heiderscheidtergrund einen Ausflug zu machen Der Tag war wunderbar, kein Wölkchen am Himmel. Herr Schroeder am Bahnhof Göbelsmühl hatte es übernommen, für uns im Hôtel des Ardennes in Esch-Sauer das Mittagessen zu bestellen .....“
Hier gab unser Reporter ein kaum merkbares Zeichen von Ungeduld.
„Aha, junger Mann,“ fuhr der Diamantfelderentdecker fort, „Sie halten dies alles für unwesentlich. Sie täuschen sich. Es ist bei einem Ausflug, bei dem Sie unbeschwert von niederen Sorgen fürbaß schreiten wollen, durchaus nicht Nebensache, ob Sie wissen, daß Ihrer am Ende Ihrer Wanderfahrt eine gehetzte Stube und ein warmes Süppchen warten. Doch weiter. Also es mag so gegen neun Uhr gewesen sein, wir waren grade auf der Straße bei den paar Häusern, die auf der Landkarte als Dirbach bezeichnet sind, da schrie mein Freund auf.“
(Hier tat der Bleistift unseres Reporters einen so heftigen Satz, daß er ein Loch ins Papier riß.)
„„Sieh!““ schrie er erregt, und zeigte mit dem Finger nach einer Stelle am linken Straßenrand.
„Ich sah hin und begriff seine Erregung. Das ganze Gesträuch, Ginster, Brombeerranken, Gras, Baumzweige, alles funkelte wie ein Weihnachtsbaum von Tausenden von Diamanten, weiß, gelb, orange, grün, blau, violett, ich sage Ihnen, es war ein unbeschreiblicher Anblick, eine Licht- und Farbenorgie, ein Funkeln, ein Glittern, ein Spritzen. Ein junger Pfarrer radelte grade vorbei, ich fiel ihm ins Rad und zwang ihn, das Schauspiel mit uns zu genießen. Auch er war überwältigt. Er sagte gleich, es seien die winzigen Eisprismen, die die Sonnenstrahlen farbig brachen. Ich sagte: Nein, Herr Pfarrer, es sind Diamanten.“
Unser Reporter wußte nicht, wie er sich zu der Mystifikation stellen sollte. Schließlich tat er überlegen und sagte: So so, es handelt sich also nur um eine optische Erscheinung, nicht um wirkliche Diamanten! Aber der Entdecker schnitt ihm entrüstet das Wort ab:
„Was, rief er aus, keine wirklichen Diamanten! Was verstehen Sie unter wirklichen Diamanten? Prismen mit gesteigertem Strahlenbrechungsvermögen. Die haben Sie hier, bitte mein Herr, schöner und reicher als irgendwo. Können Sie Diamanten essen? Nein, nicht wahr, ihr Wert besteht darin, daß man sich an ihrem farbigen Blitzen und Funkeln freuen kann. Können Sie das hier nicht? Doch, Sie können es, Tausende können es, sie brauchen nur früh genug aufzustehen. Hier ist die Demokratisierung des Diamanten, der Diamant als Volksgenuß. Sagen Sie also nicht, mein Herr, es handle sich hier nicht um wirkliche Diamanten. Dies sind die wirklichen, die andern zählen nicht mit.“
Was war zu tun? Unser Reporter klappte sein Notizbuch zu und empfahl sich. Er lehnte es ab, den Fall in seiner Sparte zu behandeln und war so gütig, ihn mir zu überlassen.
Ich war ihm dafür sehr dankbar.