Original

19. Januar 1926

Honolulu ist die Hauptstadt der Hawai- oder Sandwichinseln, Buxtehnde ist eine Stadt in Hannover, Regierungsbezirk Stade, Kreis Jork.

So heißt es über beide in den Geographiebüchern. Uns aber sind sie mehr.

Oder weniger, wie man’s nehmen will.

Sie sind uns je ein Symbol eines Ortes, wohin wir die wünschen, die wir gerne los wären.

Wer hätte noch nicht den Stoßseufzer fahren lassen: Wäre der Kerl gut in Honolulu! Oder: Hätten wir den glücklich in Buxtehude.

Wie kommen so harmlose Orte zu solch bedenklichem Renommee? Und wie komme ich grade heute nach Buxtehude und Honolulu?

Weil vor zirka vierzehn Tagen, um die Zeit, wo wir hier Neujahrswünsche tauschten, in den Straßen Honolulus vier junge Luxemburger spazieren gingen und glücklich waren, von der fernen Heimat zu sprechen.

Wieso ich das weiß?

Weil es mir einer von den vieren geschrieben hat.

„On board S. S. Belgenland“ steht oben auf der ersten Seite des Briefbogens, unter einer weißen Flagge mit rotem Stern.

„Honolulu, den 21. Dezember 1925.

Sehr geehrter Herr!“

Da ich allzeit eifriger Leser der „Luxemburger Zeitung“ war, denke ich zufällig hier an Sie, auf dieser schönen Insel, wo die Sonne zu jeder Jahreszeit scheint, wo die Menschen sehr zufrieden dreinschauen, glücklich aussehen und sich mit sehr wenig begnügen; wo das Meer die feuerspeienden Berge umspült, die früher die ganze Gegend beherrschten und mit ihrer Lava bedrohten, und jetzt wie besiegte Herrscher dastehen.

Hier fänden Sie viel Stoff, um Ihren werten Lesern mitzuteilen, wir andere Schreibfaule können dasselbe nicht so schildern.

Sehr geehrter Herr, Sie fragen sich wohl, wer der Schreiber dieser Zeilen sein mag?

Wie Sie vielleicht wissen, macht der Passagierdampfer „Belgenland“ jedes Jahr eine Weltreise und da meine beiden Freunde und ich gerade in Antwerpen waren und arges Reisefieber hatten, engagierten wir uns auf dem genannten Schiffe, der eine, P. Scholtes, Luxemburg-Bahnhof, als Bäcker, der andere E. Joachim als Koch, und ich als „assistent Wireless“. Und so fuhren wir frisch fröhlich am 10. November morgens um 6 Uhr in Antwerpen ab.

Von New York begann die eigentliche Weltreise; am 25. November fuhren wir von dort fort nach Havana, passierten den Panamakanal, ein Wunderwerk der Technik, fuhren hinauf nach Los Angeles, San-Francisco, Hilo und kamen gestern hier in Honolulu an.

Honolulu! Dieses Wort hatte früher für mich etwas Chinesisches, und wenn ich meinen Vater ärgerte, wünschte er mich jedesmal nach Honolulu. Ich lachte damals darüber. Und jetzt bin ich doch dahin gekommen.

Von hier aus fahren wir nach Yokohama und führen unsere Reise über China, Batavia, Indien, Suezkanal, Gibraltar, New York nach Antwerpen weiter, wo wir gegen den 20. April 1926 ankommen sollen.

Als wir gestern abend durch Honolulu spazieren gingen und nach Luxemburger Art ein wenig laut zusammen sprachen, kam ein junger Mann auf uns zu, drückte uns die Hände und weinte fast vor Freude. Es war auch ein Luxemburger, aus Düdelingen, der von Amerika hergekommen und seit drei Jahren hier bei einem Zuckerpflanzer in Stellung ist. So kann man überall in der Welt Luxemburger finden. Nachdem wir einige Stunden mit ihm verbracht hatten, mußten wir aufs Schiff zurück.

Ich will schließen, geehrter Herr, indem ich meine besten Neujahrswünsche beifüge.

Morgen verlassen wir dieses schöne Land, das einem Paradies ähnlich ist, und fahren hinüber ins Land der Geishas.

Hochachtungsvoll!

Ch. Kinn. Luxembourg-Gare, Asst. Wireless, S. S. Belgenland, world-cruiser.“

So! Früher wünschte man andre nach Honolulu. Jetzt wünscht man sich am liebsten selber hin.

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    Katalognummer BW-AK-014-3084