Große Aufregung. Überfälle, Einbrüche, Wildwestzustände. Nur ein Trost: Man weiß, über wen man sich zu ärgern hat. Man hat ein Sicherheitsventil, durch das die sittliche Entrüstung zischt. Das ist gesund, wie ein Klistier.
Also die Polizei! Sündenbock! Haro sur le baudet!
Distinguo.
Unsere Stadtpolizei hat vielgestaltige Aufgaben. Ihre Aufgaben differenzieren sich je nachdem sie mit der Klasse der ruhigen Durchschnittsbürger, gewöhnlich Steuerzahler genannt, mit der schwebenden Kategorie der mehr oder weniger unbestimmbaren Elemente oder mit der Klasse der ausgesprochenen Spitzbuben zu tun hat.
Insoweit sich ihre Tätigkeit auf die beiden ersten Rubriken bezieht, gipfelt sie in Maschinenschreiben und Feierabendbieten. In diesem Betracht steht unsere wackre Stadtpolizei voll und ganz auf der Höhe.
Nur in ihrem Verhältnis zu der Welt der Spitzbuben will es scheinen, als seien es die Spitzbuben, die auf der Höhe stehen. Verwunderlich ist das nicht. Denn die Spitzbuben haben nicht zu leben, wenn sie sich nicht als solche betätigen, während hingegen die Polizei zu leben hat, auch wenn sie die Spitzbuben nicht fängt.
Sie hat ihnen gegenüber - so wird es allgemein aufgefaßt - eine doppelte Aufgabe: Vorbeugen, Aufspüren.
Mit dem Vorbeugen ist es eine heikle Sache. Die beste Feuerspritze kann nicht verhindern, daß Brände ausbrechen, wie die beste Polizei nicht verhindern kann, daß Einbrüche vorkommen.
Aber eine gute Feuerspritze löscht den Brand und einer guten Polizei gelingt es in der Regel, die Einbrecher zu fangen.
Dadurch allein hat sie die Möglichkeit, auch vorbeugend zu wirken. Sehen die Spitzbuben, daß ihre Kollegen, die operiert haben, in sagen wir mal 75% der Fälle gefaßt werden, so suchen sie sich ein Wirkungsfeld, auf dem der Prozentsatz sich erfahrungsmäßig günstiger für sie stellt, und damit ist also die vorbeugende Wirkung erreicht.
In Luxemburg ergab sich schon lange ein Prozentsatz, der auf die Spitzbuben gradezu wie eine Prämie wirken mußte. Wenn der Polizei der Zufall nicht zu Hilfe kam, blieben in der Regel Einbrüche und Überfälle unaufgeklärt. Nur in Ausnahmefällen führte methodische Spürarbeit zur Entdeckung der Schuldigen, und das war dann das Verdienst einzelner Leute, die selten dafür entsprechende Anerkennung fanden.
Die Schuld liegt am alten Schlendrian. Man schien lange von der Annahme auszugehen, daß aus einem Mann, der zu nichts mehr zu gebrauchen war, immer noch ein guter Polizist werden konnte. Es ist in letzter Zeit darin besser geworden, aber man merkt noch wenig von einem Bestreben nach Spezialisierung und professioneller Ausbildung. Polizeistunde ansagen und Protokolle tippen kann schließlich jeder, aber wenn einer nicht mehr kann, als das, ist er zum Detektiv kaum geeignet. Stubenmöpse sind schlechte Spürhunde. Jeder bürgerliche Beruf setzt lange Vorbereitung voraus, man wird nicht Arzt, Advokat, Ingenieur, Bäcker, Metzger, Schuster, Schneider, Chauffeur ohne langjähriges Fachstudium. Nur unsern Polizisten wird zugemutet, daß sie von der Straße weg mit Sherlock Holmes in Wettbewerb treten und den Kampf mit den Spitzbuben aufnehmen sollen, die gegen sie alles voraushaben: Fachbildung, Anlage, Wahl der Gelegenheit, und wie gesagt: den Antrieb.
Haben Sie je gehört, daß hier daran gedacht würde, eine Brigade von Sicherheitspolizisten, sorgfältig ausgewählten Leuten zu schaffen, von denen jeder in Paris, London oder wo es sonst vorbildliche Einrichtungen gibt, ein paar Jahre praktische Ausbildung genossen hätte? Ich nicht. Und es würde sich sicher lohnen. Es hätte sich die letzten sechs Monate zweifelles gelohnt. Und wenn, wie es oft vorkommt, fremde Spitzbuben nach einer Heldentat in Frankreich, Belgien, Deutschland, England usw. ein Asyl auf unserm gastlichen Boden suchen, dann hätten wir hier ein Organ, das der auswärtigen Polizei in die Hand arbeiten könnte und wir würden uns nicht vor Europa blamieren.