In der „Obermoselzeitung“ plaudert SS. über die Rebfäsche. Man hört es im Kolonnenofen knistern. Aber eins vergißt er: Hat er denn nie als kleiner Junge versucht, einen Rebzweigstummel als Zigarettenersatz zu rauchen, wie wir es auch mit dem noch poröseren Rankelter oder wilden Hopfen taten?
Himmel und du Welt! Was haben wir damals nicht alles geraucht, außer Reben und Rankelter! Nußbaum- und Kirschbaumblätter und getrocknete Brennnesseln, das war Havannah, davon behaupteten wir. Tabak. richtiger Tabak schmecke lange nicht so „gekräutert“. Mit entsetzlichem Erfolg hatten wir eines Tages versucht, Vaters Tabak aus einem Pseifenkopf zu rauchen, den wir aus einer Calmuswurzel geschnitzt hatten. Es sah aus wie Meerschaum, aber das Ergebnis war, wie gesagt, fürchterlich.
Am erfinderischsten war einer, der sich mit dem Papier aus alten Schulheften Zigaretten drehte. Als Inhalt verwandte er Watte, und zwar grauviolette Watte die er einem alten wattierten Unterrock seiner Mutter entnahm. Er stand auf dem Standpunkt, daß grauviolette Watte den Tabak viel besser imitierte, als weiße. Physiologisch kamen weiß und grauviolett auf eins heraus.
Aber geraucht mußte werden.
Warum nur? Es muß doch irgendeine plausible Erklärung dafür geben, daß die männliche Hälfte des Menschengeschlechts in jungen Jahren die schwersten Prüfungen auf sich nimmt, um sich eine Gewohnheit anzutrainieren, die sie auf Deubel komm raus zu einem Genuß emporsteigern will und die mit allem andern beginnt: Mit Seekrankheit, wo sie am kränksten ist, mit Übelkeit und Erbrechen, verbrannter Zunge, vergeudetem Taschengeld, väterlichen Prügeln usw. Bis dann richtig aus all dieser Todesverachtung ein Bedürfnis geworden ist, dessen Nichtbefriedigung zu Abstinenzerscheinungen führen kann.
Warum findet sich bei Frauen hierfür kein Äquivalent?
Ach, sie müssen ja nicht hinaus ins feindliche Leben, in die männermordende Schlacht, wo es Aug um Aug, Zahn um Zahn geht, wo jeder, um nicht sofort untergebuttert zu werden, mit allen Zeichen des Muts in der Brust in die Erscheinung zu treten hat. Und das sichtbarste Zeichen von Mut und Stärke ist der Tabakrauch, den einer aus dem Mund bläst. Er kündet von schweren Kämpfen und gewonnenen Siegen. Man beut als junger Mann seinen Magen dem Nikotin, wie der Student auf Mensur seine Wange dem Rapier des Gegners, damit jeder nachher sehen kann, ein wie starker und todesverachtender Mann man ist.
Der stärkste Mann aber ist der Pfeifenraucher, denn er hat zwei Feinde besiegt Nikotin und Kohlenoxydgas. Dafür ist denn auch herrlich der Lohn. Der Pfeifenraucher ist in seiner ruhigen Abgeklärtheit ein Sinnbild des zufriedenen, behäbigen Genusses. Nur der Säugling mit dem Schnuller im Mund kommt ihm darin gleich. Jeder, der ihn sieht, empfindet: Das möchte ich auch!
Aber auch hier: Per aspera ad astra. Viele versuchen es, wenige setzen es durch. Die andern bleiben als Tabakleichen am Wege liegen, die Siegreichen aber schweben auf blauen Rauchwölkchen ins Nirwana.