Original

23. Januar 1926

Bad Mondorf tritt mit kommender Saison in sein drittes Entwicklungsstadium ein.

Die zwei ersten waren nicht von weit her. Um so dringender ist zu wünschen, daß es in seinem Flug zum Erfolg jetzt endlich vom Boden loskommt.

Erst war es in seinem Aufschwung durch die Knappheit der Mittel beschränknt, die die Privatgesellschaft, durch lange Mißerfolge enttäuscht, noch für das Unternehmen übrig hatte.

Dann nahm es der Staat unter seine Fittiche und sorgte kurzsichtig dafür, daß es nicht darunter herauskam. Die ausschweifenden Hoffnungen, die man an die neue Wendung der Dinge geknüpft hatte, verkehrten sich in Enttäuschung, an maßgebender Stelle war die Parole ausgegeben, Mondorf müsse durch Zurückhaltung und Bescheidenheit glänzen, sich wie alle im Staat mit dem beliebten Flicksystem abfinden und sich in die Dilettantenwirtschaft fügen, die damals vielfach im Schwang war.

Das Resultat war dementsprechend. Stillstand, also Rückgang. Während draußen in weiter Runde alle Heilquellen sich ausbauten und den Ansprüchen der Zeit anpaßten, trotzte Mondorf dem Fortschritt und glich der alternden Schönen, die in Wollstrümpfen und langen Kattunkleidern sich unter fesche Mädels mischt, um ihnen ihre Liebhaber wegzuputzen.

Endlich sah man ein, daß es so nicht weiter ginge, und beschloß den Neubau, der jetzt seiner Betriebsfertigkeit entgegengeht. Zum Glück entsteht gleichzeitig ein neues, modernes Hotel, während das Haus, das von jeher führte, sich von Grund auf modernisiert. Sonst hätten wir wieder keinen Löffel gehabt, wenn der erhoffte Brei zu regnen begonnen hätte.

Also die Karre soll laufen.

Aber nun gehört auf den Bock auch einer, der fahren kann.

Kein Betrieb in unserm Ländchen ist ohne Direktion, von der Steuerverwaltung bis zur städtischen Latrinenreinigung, überall steht an der Spitze ein verantwortlicher Direktor. Nur in Mondorf schien man bis jetzt zu glauben, es genüge, wenn sich ein Regierungsrat, ein Straßenwärter und im Notfall Herr Philipp Schneitz nebenamtlich um die Direktion kümmerten.

Spaß beiseite, es wäre ein Verbrechen am Land, wenn man es so weiter treiben wollte. Das Mondorf von gestern krankte Jahrzehnte lang an Sparsimulation und Bürokratendilettantismus, wie sie von oben vielleicht nur aus Bequemlichkeit, aus Gewöhnung an dilatorische Behandlung aller Dinge befohlen wurden. Das Mondorf von morgen schreit nach einer leitenden Kraft, die das Ganze zusammenhält.

Es wird nicht leicht sein, die geeignete Wahl zu treffen. Auf diesen Posten gehört ein Mann von Welt, der Mann mit der eisernen Faust und dem Samthandschuh, dessen Beherrschtheit und Autorität ihm die nötige Überlegenheit verschafft über Menschen und Dinge, im Verkehr mit hoch und nieder, der geborene und gelernte Verwalter und Organisator. Der Beste wird grade gut genug sein. Man soll ihm die wirtschaftliche Unabhängigkeit sichern, die sein Ansehen stärkt, er wird in drei Jahren aus Bad Mondorf eine Einnahmequelle schaffen können, an die bis jetzt niemand zu denken wagte.

Die neue Anstalt verlangt mehr. Sie verlangt ein ausreichendes, geschultes Personal. Das Dilettantentum in Mondorf brachte es mit sich, daß im Personal nicht für Nachwuchs gesorgt wurde. Es war keine Staffelung da, statt von unten herauf in eine Stellung hineinzuwachsen, sprang mancher hinein, wie er kam, er ersetzte durch „Toupet“, was ihm an Kompetenz abging.

Hoffentlich haben die verantwortlichen Stellen rechtzeitig vorgesorgt, damit ein geübtes Personal in genügender Anzahl zur Stelle ist, wenn es gilt.

Ein Konglomerat von Mauerwerk, Holzarbeiten, Plättchenbelag, Dampfkesseln und Röhrenwerk macht noch keine Badeanstalt aus.

Und die schönste 40 H.P. saust unfehlbar eines Tages in den Graben, wenn kein geschulter und umsichtiger Chauffeur am Steuer sitzt.

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    Katalognummer BW-AK-014-3088