Original

4. Februar 1926

„Wa mer es de ganzen Daag wond a rose geschafft hun am Wengert, fir en Apel an e Steck Bro’t, da setze mer es owes bei de Radio a mer resen ob d’Concere ueter d’ganz Welt. Haut den Owend och. A we’ mer du no Letzeborrech komm sin, du he’re mer jo ob ämol eng sche’ Ried iwer e’sen alen Dicks. Dem Neckels Neckel, de bei mer suutz, huet et eeschtlech gefall. „Hätte mer den eweil hei,“ sot en, „da giwe mer eng go’d Fläsch hollen!“ - „Oder zwo’!“ sot ech. D’Mumm Se’ß aß prächteg gespillt gin. Mä mir haten es d’Mumm aneschter virgestallt. Den Neckel och. Mir hate gemäent, et we’r eso’ eng al verdrechent Quisel, mä dat elo woar jo, no lout der Stemm, äppes fir dran ze be’ißen.

Neischt fir onggo’t. A beschte Gro’ß vum Potesch Jang.“

Auf der andern Seite der Karte steht auch ein Postskriptum von Neckels Neckel, aber da hatten sie offenbar die „go’d Fläsch“ schon intus.

Es ist tatsächlich so, wie der wackre Potesch Jang schreibt: Wenn sie sich tagsüber die Nägel von den Fingern geschafft haben, sitzen sie abends im schummerigen Stübchen bei der Lampe Dämmerschein - Elektrisches haben sie noch nicht, so schnell, wie drüben in Preußen, wird hüben nicht geschossen - und lassen sich vom Weltall was vorspielen.

Ist das nicht das Wunderbarste! Daß sie in London, Paris, New York, Berlin usw. die Stimme des Kosmos hören, das nehmen sie als selbstverständlich hin, das ist ihnen kein Wunder mehr, keine Erlösung, nichts, wobei man aus dem Häuschen zu geraten braucht. Es ist etwa, wie wenn man einem Mann, der an der See zuhause ist den Rhein zeigte.

Aber der Mann, der das ganze Jahr im Joch seiner einsamen Arbeit geht, den Blick an der Scholle, die Gedanken im Umkreis seiner enggespannten Interessen - er ahnt, daß draußen, weit draußen, ein tönender Wellenschlag von Lust und Schönheit geht, der ihn, ihn, den armen Racker von Bauer und Winzer, niemals wiegen wird. Er hat sich damit abgesunden, daß er sterben wird, ohne die Welt gesehen, gehört, genossen zu haben, sterben wie in tiefem Brunnen, um dessen Rand der jubelnde Reigen des Lebens geht.

Und auf einmal ist von ihm in die Welt ein Weg von der Welt zu ihm ein Klang, ein Klingen, eine Kunde. Durchs Ohr ergreift er Besitz von der Welt die ihm versagt war, die für ihn hinter riesig getürmten Bergen lag. Der Äther trägt ihm ihre Atemzüge zu und er sitzt abends in seiner Stube aus dem armen, vielgeplagten Mann der Scholle ist ein Mitbesitzer an der Lustbarkeit des Universums geworden.

Ich sage, der Verein „Landwuel“ sollte sein Augenmerk darauf richten, daß in jedem Dorf eine MusterRadiostation eingerichtet würde, in einem großen Raum, wo alle, die Lust hätten, Platz fänden, um den Pulsschlag der Welt zu fühlen. Denkt daran, wie es beruhigt, am Ufer eines Stroms zu sitzen, im Bewußtsein, daß man stromauf und stromab mit der Welt in lebendiger Verbindung ist. Der Rundfunk ist dem Strom, der um die Erde kreist und überall die Vereinsamung durchstößt, wie einen Unkenteich. Ihr habt gelesen, wie sie in einem weltfernen Moseldorf darüber denken. Warum diese Wohltat nicht zu einer öffentlichen Einrichtung machen, wie eine Kirche, eine Schule, eine Turmuhr, eine Vereinsmolkerei, einen Geräteschuppen?

Wenn ein Volk in seiner Nationalhymne singt, er wolle seinen Nachbarn zeigen, „dat mir nun och de We hu fondt Zum e’weg gro’ße Völkerbond“, so muß es dem Radio mindestens soviel Interesse entgegenbringen, wie den Eisenbahnen. Denn mit dem Radio können auch die reisen, die kein Geld für die Eisenbahn haben.

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    Katalognummer BW-AK-014-3098