Original

6. Februar 1926

Im „Memorial“ von Montag, 25. Januar, steht ein sehr merkwürdiger „Beschluß vom 20. Januar 1926, betr. Reglementierung des Fischfangs in gewissen Forellengewässern und Teilen von Forellengewässern“.

In der Begründung heißt es:

„In Anbetracht, daß der Fang von Raubfischen der Erhaltung des Fischbestandes in den Forellen- gewässern förderlich ist und zu diesem Zwecke gewisse, gesetzlich erlaubte Fanggeräte Anwendung finden müssen;

Nach Einsicht der Vorschläge des Direktors der Gewässer und Forsten;

Beschließt:

Art. 1. Der Gebrauch der schlafenden Angel, der Nachtschnüre und der Reusen ist in den nachstehend bezeichneten Teilen folgender Wasserläufe gestattet.“ (Folgen die Namen so ziemlich aller besseren Forellenwässer des Landes.)

Also der Fang von Raubfischen soll der Erhaltung des Fischbestandes in den Forellengewässern förderlich sein.

O ja! So ungemein förderlich, daß man aus einem Forellenbach nur alle Raubfische herauszufangen bräuchte, um festzustellen, daß dann kein einziger Fisch mehr darin zu finden wäre.

Denn was die Forelle zum Sportfisch par excellence macht, ist ihre Eigenschaft als einer der gefräßigsten Raubfische unserer sämtlichen Fischwasser.

Unter den im „Memorial“ aufgezählten Bächen gibt es solche, in denen seit Menschengedenken kein andrer Raubfisch zu spüren war, als eben die Forelle.

Findet man, daß die Forellen überhandnehmen, und daß ihnen mit allerhand sportwidrigem Gerät zu Leibe gerückt werden muß? Die Angelfischer von einer Ecke des Landes bis zur andern Ecke finden das Gegenteil. Aber wenn sie Sonntags abends mit leerem Korb dem Zug entsteigen und im Bahnhofrestaurant den langgehegten Durst mit einem Humpen Pilsener löschen, kann es ihnen fortan passieren, daß sie am Nebentisch eine Riesenschüssel mit Forellen auffahren sehen, die ein Zwischenlieger auf ihrer Strecke mit Nachtschnüren, schlafenden Angeln und Reusen eingesammelt hat. Denn Fischen kann man das nicht mehr nennen.

Es gibt z. B. in der Syr zwischen Mutfort und der Merterter Brücke lange Strecken, die mit ein paar Reusen in drei Nächten glatt auszuräubern wären. Und doch ist dieser Teil der Syr für Reusen, Nachtschnüre usw. ebenfalls freigegeben.

Ein Sportfischer wird sich den Spaß nie damit verderben, daß er Nachtschnüre legt, so wenig wie ein weidgerechter Jäger in seinem Revier die Rehe mit Stricken fängt. Steht ihm wo ein Prachtexemplar von Forelle, so freut er sich darauf, sie kunstgerecht zu erangeln.

Die andern, die ihre Freude am Fischsport nur nach Pfunden bemessen, die haben natürlich auf diesen Beschluß nicht gewartet, um ihre Schnüre und Reusen zu legen. Und der Fischbestand ist in den Wassern, wo sie hausen, schwerlich besser geworden.

Zum Schluß sei darauf aufmerksam gemacht, daß aus Fischerkreisen die Auffassung geäußert wurde, die Freigabe der mehrerwähnten Fanggeräte datiere vom Datum des fraglichen Beschlusses und nicht erst von der gesetzlichen Eröffnung der Fischerei, also vom 1. April. Was selbstverständlich eine Ketzerei ist.

Und ganz zum Schluß sei hiermit das aufrichtige Bedauern ausgesprochen, daß die Verwaltung der Gewässer und Forsten keine Schutzwaßregeln in Vorschlag bringt gegen die schlimmsten Raubfische, die den Fischbestand in den Forellengewässern am ärgsten gefährden. Das sind die mit den Chlorkalksäcken und den Stellnetzen, gegen die weder Reusen noch Nachtschnüre helfen.

(Von einem Sachverständigen geht uns soeben im selben Sinn ein ausführlicher und trefflich begründeter. Aufsatz zu, der in der nächsten Nummer erscheint.)

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    Katalognummer BW-AK-014-3100