Der Artikel von Joseph Tockert über die Reform des Mittleren Unterrichts in der Morgenausgabe der „Luxemburger Zeitung“ vom Freitag war wie ein Stein in einen Entenpfuhl.
Aber er war auch mehr, muß mehr sein. Er zeigt den einzigen Weg zur Lösung, indem er die Mängel im Räderwerk jeder Staatsmaschinerie aufdeckt.
Hoffentlich brauchen die Jüngeren nicht auf einen Umbau der Maschine zu warten, bis ihnen Genugtuung wird, sonst könnte ihnen die Zeit lang werden. Denn bis die derzeitige Organisation der Staatsgewalten umgerenkt wird, fließt noch viel Wasser die Alzette hinunter, so träg es auch fließt.
Herr Tockert sucht wiederholt den Staat mit dem Beispiel der Privatwirtschaft zu beschämen: Seht die Industrie, da wird alles Große immer von einem einzigen gemacht, als one man’s work!
Ja, die Industrie! Die weiß, was sie will, und sie darf immer wollen, was sie weiß. Ihre Ziele brechen ihr nicht unter der Hand nach rechts und nach links, nach unten und nach oben auseinander, sie hat nur ein Ziel, auf das sie sich konzentriert.
Beim Staat ist ja das Unglück, daß seine Machtfaktoren von vornherein um die Einheit des Wollens gebracht sind. Dieselben Leute haben über das Geistige und das Materielle zu befinden. „Die allgemeinen Interessen“ sind das fiktive Dach, unter dem alles untergebracht werden soll. Das Parlament, der Träger der höchsten Macht in einer Demokratie, ist ein Sammelsurium von Leuten, die gegebenen Falls in allen Sätteln gerecht zu sein haben, die sowohl im Kartoffelbau wie in den Eisenbahntarifen wie in der Jugenderziehung und in den heikelsten Gewissensfragen das letzte Wort sprechen, die Führer wählen und stützen sollen.
In der Industrie haut alles in eine Kerbe. Die Frage ist: Wie arbeiten wir, um mit dem größtmöglichen Gewinn abzuschließen? Keine Generalversammlung, kein Verwaltungsrat kümmert sich um die geistigen Interessen der Aktionäre, es macht absolut keinen Unterschied, ob sie Juden, Heiden oder Christen sind, ihre Stärke liegt in der Geschlossenheit, der Einheit des Ziels.
Im Staat ist der Dienst am Ganzen von vornherein dadurch entnervt, daß alle Kraft sich auf Materielles und Geistiges zersplittern muß, daß eine Hälfte der Bürger immer mit einem schelen Auge zusteht, wenn etwas oben geschieht, weil immer eine Hälfte den Verdacht hegt, bei der Wahrnehmung der „allgemeinen“ Interessen könnte grade ihre geistige Hälfte zu kurz kommen, während sich die Machthabenden den Anschein geben, nur das Materielle zu besorgen.
Wir bräuchten also eigentlich zwei Kammern, eine für die materielle, eine für die geistige Interessenvertretung.
Aber das ist eine offenbare Utopie. Und daß es eine Utopie ist, das ist der beste Beweis dafür, daß uns nicht geholfen werden kann, daß wir so weiter wursteln müssen, bis die Karre von selbst zusammenbricht, und die, die drum herumstehen und sich hinter den Ohren kratzen, etwas Besseres als Ersatz gefunden haben.
Hoffentlich brauchen, wie gesagt, die Primaner von heute nicht bis dahin auf eine Neuordnung der Kandidaten- und Doktorprüfungen zu warten.