Ein freundlicher Leser brachte mir dieser Tage eine Nummer des Pariser „Gaulois“ von Samstag 23. Juli 1870, die natürlich voll ist von Nachrichten über den am 19. Juli erklärten Krieg.
Es ist leicht, heute aus allerhand Geschichtswerken über den Krieg von 1870 zusammenzulesen, was alles passiert ist, auch über die Stimmung der kriegsführenden Völker und sogar des Publikums, das eine besondere Abart der Völker darstellt. Aber ungleich interessanter ist es, diese Dinge aus den zeitgenössischen Quellen zu schöpfen, die in ihrer ungetrübten Aufrichtigkeit von keinem Dokument aus zweiter, dritter oder hundertster Hand erreicht werden.
Es mutet einen Luxemburger sonderbar an, wenn er in jener Nummer des „Gaulois“ unter anderem folgende Meldung aus Luxemburg, 21. Juli, findet.
„La neutralité du Grand-Duche a été reconnue par la France et par la Prusse: des affiches posées dans les rues le constatent.
L’accès du Luxembourg est libre et facile.“
Nach dem 2. August 1914 sah es ein bißchen anders aus.
Aus Metz, Juli, läßt sich der „Gaulois“ melde@
Le Gouvernement de Luxembourg a décidé hi qu’il observerait la neutralité. Ses sympathies pour la France sont cependant avouées. Il a donné l’emploi de tout l’argent disponible à @ destruction des fortifications de Luxembourg @ pourraient gêner la retraite possible des Franç@ vers Metz. - D.
Ach ja, unsere ausländischen Kollegen wußt@ immer haarklein über uns Bescheid.
Anscheinend derselbe Korrespondent erfährt vo@ Diedenhosen, 21. Juli:
„Le bruit de l’entrée des Français à Saarbrü@ s’est faussement répandu à Luxembourg.“ Tatsä@ lich wurde Saarbrücken erst am 2. August von d@ Franzosen genommen, wobei Prinz Loulou in Gege@ wart seines Vaters die Feuertaufe erhielt. Nach @ Schlacht von Spichern, 6. August, fiel Saarbrück@ wieder in die Hände der Preußen.
Von der Art, wie die Pariser Presse über d@ Bewegungen des deutschen Heeres unterrichtet wa@ gibt folgende Depesche aus Metz einen Begriff:
„On assure que les Prussiens, qui avaient d’abo@ semblé masser leurs troupes entre le Luxembou@ et le Palatinat, paraissent maintenanr se ret@ et se concentrer entre les forteresses de Coblen@ et de Mayence.“
Eine Woche später kamen die Katastrophen @ Weißenburg und Wörth.
Den Damen wird folgendes Entrefilet Spaß mach@
„Le nombre des dames qui viennent offrir le@ services à la Société française de secour@ blessés est considérable. Voici le costume ad@ pour ces nouvelles sœurs de charité:
Robe de laine noire ou vert très foncé;
Petit bonnet;
Tablier blanc.“
Auch das Geschäft kommt auf seine Rechnung. @ Redaktion des „Gaulois“ macht Reklame für e@ Reitbahn:
„Nous ne saurions trop engager les officier@ la garde mobile ignorant les principes de l’éq@ tation, à prendre, svant leur départ, quelqu@ leçons au manége @u Nord de la rue Saint Vince@ de Paul. Ce manége est le seul de Paris @ une vingtaine de leçons, on fait des cavaliers @ sants.“
Dann wird in kunterbuntem Durcheinander erzäh@ von der preußischen Landwehr, die sich nur wide@ willig mobilisieren läßt, von einem Seegefecht, @ dem drei preußische Schiffe auf den Grund geb@ worden waren, von den kleinen italienischen Piffer@ die in den Straßen von Paris eine reiche Sous-Er@ halten, weil sie A bas la Prussia rufen, von belgisch@ Tartarennachrichten über Schlachten, in denen @ der Franzos, bald der Preuß gesiegt haben sollte, @ König Leopold von Belgien, der alle seine We@ sachen über Antwerpen nach London geschickt ha@ sollte, von Börsenpaniken usw. - nur nicht@ Spionenjagden und geisterhaften feindlichen Au@ mit Goldladung und wie die Blüten alle heißen, @ 1914 die patriotische Begeisterung überall getrie@ hatte. Seit 1870 hat die Menschheit eben auf @ Gebieten Fortschritte gemacht.